Liebende Güte und Mitgefühl sind prosoziale Empfindungen und wir sind eine soziale Spezies.
Achtsamkeit
Sich dessen bewusst zu sein, was man tut, während man es tut, was man denkt, während man es denkt und was man empfindet, während man es empfindet setzt die Aktivierung unserer Selbstbeobachter-Ebene voraus.
Es kann Spaß machen, sich selbst beim Wahrnehmen wahrzunehmen und sich auf sich selbst zu beziehen (Selbstreflexivität). Im Buddhismus übt man Achtsamkeit schon seit mehreren tausend Jahren. Aus der Selbstbeobachter-Ebene heraus (die neurobiologisch im dorsalen und dorsolateralen präfrontalen Kortex im Stirnhirn verortet ist) können wir z.B. auch Impulse inhibieren, wenn ihr Ausagieren gerade nicht passend wäre (Top-Down-Suppression).
Immer mitfühlend...
Wie werde ich mir dessen bewusst, was ich tue, während ich es tue? Wie lerne ich die Wahrnehmung des gegenwärtigen Augenblicks ohne ihn zu bewerten? Indem ich während der Aktivierung meiner Selbstbeobachternetzwerke vermeide, mich mit dem zu identifizieren, was ich wahrnehme. Die bewusste Wahrnehmung des gegenwärtigen Augenblicks, - ihn einfach als solches zu erkennen, zu fühlen und zu akzeptieren, wie er ist-, kann dabei helfen, meinen Schmerz als Leiden* (*im buddhistischen Sinne als etwas zutiefst Menschliches und etwas, was alle Menschen kennen) zu akzeptieren und mich ihm mit liebender Güte (fürsorglich) zuzuwenden, anstatt zu versuchen, vor ihm zu fliehen und ihn zu vermeiden. Tonglen ist im tibetischen Buddhismus eine Atemtechnik, bei der man den Schmerz einatmet (und damit annimmt) und liebende Güte an die schmerzende Stelle hin ausatmet.
Selbstmitgefühl
Achtsamkeit und Selbstmitgefühl haben viel miteinander zu tun. Wenn wir achtsam mit uns selbst umgehen und uns dessen bewusst sind, was wir tun, während wir es tun, werden wir eher wohlwollend gegenüber uns selbst und anderen handeln. Den Fokus der eigenen Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment zu richten, anstatt auf die Vergangenheit oder Zukunft, kann dabei helfen, uns im Hier-und-Jetzt zu verankern und bewusst Selbstmitgefühl zu üben (also liebevoll mit uns selbst umzugehen, anstatt uns innerlich zu kritisieren = Selbstaggression). Fürsorglich für sich selbst zu empfinden und mit freundlicher, wohlklingender prosodischer Stimme nach innen zu sich selbst zu sprechen (statt mit angespannter Stimme mit sich selbst zu "meckern") wirkt tröstend, beruhigend und wohltuend, entspannt den Körper und stärkt die Abwehrkräfte.
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Selbstbeobachternetzwerke und Selbstmitgefühl
Bei Depressionen und anderen Störungen finden sich, wenn sich die Selbstbeobachternetzwerke aktivieren, manchmal sehr strenge oder kritische Selbstbeobachterstimmen, die alles andere als wohlwollend und freundlich zu uns sind.
Im Gegensatz zum Selbstmitgefühl (ventral-vagale Aktivierung, Oxytozin) bewirkt die Selbstaggression leider eine Aktivierung unseres Kampf-und-Flucht-Systems (Sympathikus, Adrenalin), um uns für einen möglichen Kampf oder eine Flucht bereit zu machen. Wenn wir also innerlich mit uns "meckern", sind wir gleichzeitig im Kampf mit uns und auf der Flucht vor uns selbst. Eine Seite "meckert" und eine andere Seite wird beschimpft. Das ist interner Stress: Kampfmodus.
Der Körper mobilisiert Energie, um für potenzielle Gefahren mobil zu machen, wir reduzieren uns auf das einfachere "Schwarz-Weiß-Denken" ("Freund / Feind") und beziehen alles auf uns ("wie schadet/nutzt das mir?"), damit wir möglichst schnell reagieren können. Dieser Zustand ist körperlich anstrengend. Alle damit verbundenen Körperreaktionen gehören zu unserem Gefahrenabwehrsystem und die strengen Selbsbeobachter-stimmen setzen uns unter Druck. Wir sind eine der wenigen Spezies, die sich selbst nur durch Gedanken in Aufregung versetzen kann.
Selbstmitgefühl bewirkt dagegen ein fürsorgliches Körpergefühl (es aktiviert unser Bindungssystem = vor allem den ventralen Ast des Vagusnervs, und es führt zu einer Ausschüttung des Hormons Oxytozin), welches innerhalb der eigenen Gruppe tröstend, beruhigend und wohltuend wirkt. Wenn wir innerlich liebevoll und freundlich mit uns selbst sprechen und dabei auch noch mit einer wohlklingenden Stimme (Prosodie), beruhigt sich unser Körper. Dann kommen Körperreaktionen, die von unserem Bindungssystem vermittelt werden. Wir entspannen uns und fühlen uns sicher. Dieser Zustand tut uns wohl (ist gut für die Immunkompetenz, das Herz-Kreislauf-System, unsere Regeneration und Erholung "rest-and-digest") und ist erholsam für unseren Körper. Erst wenn wir uns sicher fühlen, sind wir dazu in der Lage, neue Optionen zu explorieren oder kreative Lösungen zu finden. Es ist wichtig zu bemerken, wann wir selbstabwertend oder sehr streng mit uns selbst umgehen und das dann unmittelbar zu korrigieren und in die Selbstmitgefühl-Netzwerke zu wechseln. Mitgefühl für alle fühlenden Wesen betrifft auch uns selbst. Das kann man lernen!
Emotionale Ansteckung
Unbewusst und unwillkürlich
Bei einer unbewussten affektiven Resonanz mit anderen, -ohne zu wissen, dass sie es sind, die die Resonanz hervorrufen, oder sich darüber bewusst zu sein, dass es überhaupt eine Resonanz ist-, (z.B. wenn man bei einer Massenpanik im Fussballstadion "angesteckt" wird und sich der eigene Blutdruck erhöht, die Herzfrequenz sich beschleunigt und der Fluchtinstinkt ausgelöst wird, -noch bevor einem selbst bewusst wird, was da eigentlich geschieht) spricht man von emotionaler Ansteckung oder Gefühlsansteckung.
Unbewusste affektive Resonanz
"ICH"
Empathie
Bewusste affektive Resonanz
Falls man dann realisiert: "Ah, ich habe Angst, weil der Andere Angst hat!" würde man in eine bewusste affektive Resonanz mit dem Anderen gehen. Dazu müsste man in der Lage sein, zwischen sich selbst und dem Anderen unterscheiden zu können (ein Baby schreit z.B., wenn es ein anderes Kind schreien hört, ohne zwischen sich und dem Anderen unterscheiden zu können = emotionale Ansteckung). Empathie bedeutet also: Ich fühle etwas, von dem ich glaube (und dabei aktiviere ich meine eigenen entsprechenden neuronalen Netzwerke), dass der Andere es fühlt. Trotzdem ist mir bewusst, dass das jetzt gerade ein Anderer erlebt und nicht ich.
Bewusste affektive Resonanz
"ICH & DU"
Mitgefühl
Leiden beenden wollen
Empathie ruft Mitgefühl hervor, wenn ich die Motivation verspüre, dem verletzten Mitglied meiner Gruppe zu helfen, ein prosoziales, fürsorgliches Gefühl (das sog. "Bindungs-Hormon" Oxytozin würde dabei in meinem Körper freigesetzt). Dann würde ich mir wünschen, den anderen von seinem Leiden zu befreien und seine Not zu lindern. Mitgefühl führt zu prosozialen Verhaltensweisen und verstärkt sowohl das psychische als auch das körperliche Wohlbefinden der Betroffenen, die mitfühlend handeln. Etwas für das "Wir" tun zu können hält uns gesünder; -wir haben mehr Begeisterung und Energie und wir leiden weniger unter Depressionen. Als soziale Spezies macht das ja auch Sinn.
Wunsch, dass Leiden endet
"WIR"
Wir können nicht ändern, was wir sind; - aber das, was wir werden, können wir beeinflussen. Mitgefühl mit sich selbst kann man lernen. Es ist die Voraussetzung für das Mitgefühl mit anderen.