Unsere Kultur ist heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, immer noch stark durch die Gedankenwelt der Aufklärung (die um 1700 begann) geprägt. Die Aufklärung hatte das rationale Denken und unsere geistigen Fähigkeiten (zur Überwindung starrer, überholter Vorstellungen) in den Vordergrund gerückt. Die Vernunft war es, auf die man sich verlassen sollte. Doch heute wissen wir: Mit der Vernunft allein fehlt uns etwas. Körper, Geist und Gefühle sind untrennbar miteinander verbunden. Und wenn man sich überlegt, auf welche Weise
sie miteinander verbunden sind, kann man sich gleich der nächsten Frage stellen, nämlich der, was für ein Prozess das eigentlich ist, den wir den Geist nennen.
Nach Antonio Damasio, dem weltbekannten portugiesischen Neurowissenschaftler, ist der Geist ein fließender mentaler Prozess, der sich fortlaufend aus miteinander verbundenen sensorischen Bildern (Mustern) bildet. Sich wiederholende mentale Prozesse aktivieren bestimmte Erregungsmuster in unserem gesamten Nervensystem, -nicht nur im Gehirn (einem
Organ unseres Körpers), sondern auch im gesamten Nerven- und Hormonsystem unseres Körper. „Embodiment“ bedeutet Verkörperung. Wir sind ein verkörpertes Gehirn (embodied brain) oder ein „verhirnter“ Körper (embrained body) in einem sozialen Kontext im Ökosystem unseres Planeten (bio-psycho-sozial-ökologisch) eingebettet (embedded).
Alles, was wir erleben wird in unserem gesamten Körper gespeichert, -nicht nur im Gehirn. Unsere Gedanken beeinflussen den Körper und unsere Körperhaltungen und Empfindungen beeinflussen unsere Gedanken und Wahrnehmungen. Unsere wiederholten Erfahrungen beeinflussen die Art und Weise, in der wir uns neuronal vernetzen. Wiederholt sich etwas oft und ist es mit starker Affektladung verbunden, dann wird es stärker vernetzt.
Diese Vernetzung findet aber nicht nur im Gehirn statt, sondern es finden sich im gesamten Körper auch somatische Marker. Das kann z.B. eine gewisse Körperhaltung, ein bestimmter Muskeltonus, Mimik und Gestik und die damit verbundenen Gefühle sein. Es gibt positive und negative somatische Marker, die mit bestimmten Erinnerungsebenen und der Aktivierung der assoziierten neuronalen Netzwerke verknüpft sind. In der Arbeit mit Embodiment geht es darum, mit positiven somatischen Markern verbundene Haltungsziele zu entwickeln und sie dann mit dem individuell passenden Embodiment zu verknüpfen.
Wenn wir unsere körperliche Haltung verändern, kann das auch eine entsprechende psychische Veränderung bewirken. Unsere Haltung beeinflusst unsere Stimmung und unsere Stimmung beeinflusst unsere Haltung. Voraussetzung dafür, sich dessen bewusst zu werden, ist ein aufmerksamer Umgang mit sich selbst. Dann kann man seinen Körper bewusst einsetzen. Unbewusst tun wir das aber sowieso die ganze Zeit. Wir sind immer „embodied“.